Wenn man verfolgt, was das BRK Erlangen-Höchstadt auf Anregung seines Direktors, Jürgen Üblacker, in Wladimir unternimmt, möchte man wie ein Leitmotiv immer wieder die Bachkantate „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ anstimmen und ist dabei versucht, den Allmächtigen durch das Rote Kreuz zu ersetzen. Gotteslästerung? Panegyrik? Nichts von beidem! Es ruht einfach ein Segen auf dem Tun des BRK in Wladimir – oder für säkularisierte Gemüter: Bei all seinen Dingen herrscht gutes Gelingen.
Eben erst sind die drei leitenden Ärzte, Gäste des BRK, mit einem ganzen Schatz von neuen Eindrücken und Erfahrungen von Erlangen aus nach Wladimir zurückgekehrt, und nun ist ein Ehrenamtlicher des Roten Kreuzes von einer Reise in die Partnerstadt wieder heimgekommen, der viel zu erzählen hat. Doch vorausgeeilt ist ihm ein Dankschreiben der Gastgeber an das BRK, welches zu übersetzen die reinste Freude bereitet:
„Wir sind sehr dankbar dafür, daß sie uns einen jungen Mann wie Felix Wasel geschickt haben, der Deutschland und sein erstaunliches Volk würdig vertreten hat. Alles ist wie am Schnürchen gelaufen, obwohl es im Programm auch die eine oder andere kleine Abänderung gab, die aber sicher den Gesamteindruck nicht trüben konnten. Unser Team, das Felix aufgenommen hat – Familie Pjotr Ponasenko, Nikolaj Ponasenko, die beiden Dolmetscherinnen, Anastasia Gurjanowa und Aljona Wassiljewa sowie Tatjana Teljanina -, funktionierte reibungslos. Wir sind der Überzeugung, daß der Besuch gelungen ist. Gemeinsam besucht haben wir die Feuerwehreinheiten von Wladimir und Susdal sowie die Rettungsstelle der Wladimirer Region. Felix nahm am Unterricht des Klubs „Retter“ teil, wo er mit Vergnügen die Vorschriften zur Verwendung leichter Schutzkleidung erfüllte. Glänzend präsentierte er seinen Vortrag zum Zivilschutz in Deutschland, nach Kräften unterstützt von Aljona Wassiljewa und Anastasia Gurjanowa. Sogar mit Studentinnen der FAU konnte er sich treffen, die für zehn Monate nach Wladimir gekommen waren, und denen der Unterricht auch sehr gut gefiel.
Wir besichtigten natürlich auch Wladimir, Susdal und Bogoljubowo, und dank Ihren Gebeten herrschte ideales Wetter: Die Sonne schien, es war warm, überall bunte Herbstfarben, was uns, zusammengenommen, regelrecht lyrisch stimmte. Wir sind Felix dankbar für die so gelungene Vorführung der Maßnahmen in Notsituationen (Leistung von Erster Hilfe, Einsatz von Rettungsschwimmern). Diesen Unterrichtsblock haben wir an der Wladimirer Schule Nr. 40 durchgeführt, dem ein Hallenbad angeschlossen ist, wo unser olympischer Schwimmnachwuchs trainiert. Darüber hinaus hatte Felix sechs Stunden Wache beim Notfalldienst mit der Schicht des Klubs „Retter“, besetzt mit Gennadij Brajt, Iwan Tarassow und Jurij Kowaltschuk, die über die ganzen sechs Stunden eine Frage nach der anderen zum Thema Rettungseinsätze in Deutschland stellten. Pjotr Ponasenko, der Leiter des Klubs, konnte das Gespräch nur mit Mühe beenden. Getroffen haben wir uns auch mit den jungen Leuten der Berufsfachschule Nr. 6, wo künftige Feuerwehrleute ausgebildet werden. Lange stellten sie immer wieder Fragen und wollten den Gast gar nicht wieder gehen lassen.
Felix hat also tatsächlich Deutschland und sein großes Volk würdig vertreten. Er bewies am eigenen Beispiel, daß es möglich ist, Erfolg zu haben, wenn man ein selbstgestecktes Ziel mit allen Kräften verfolgt. Mit seiner Lebenseinstellung steht er den Mitgliedern unseres Klubs sehr nahe. Wir sind dem BRK Erlangen-Höchstadt von Herzen dankbar dafür, daß wir mit einem solchen Menschen zusammentreffen konnten, den wir ins Herz geschlossen und von dem wir uns mit Tränen in den Augen verabschiedet haben.“ Pjotr Ponasenko, Leiter des Klubs „Retter“ und Tatjana Teljanina, Beauftragte für Internationale Beziehungen.
Wer nun ist dieser Felix Wasel, der einen so bleibenden Eindruck in Wladimir hinterlassen hat? Gelernt hat der 29jährige den Schreinerberuf und ist seit acht Jahren bei der Erlanger Berufsfeuerwehr. Aber schon mit fünfzehn Jahren ist der Höchstädter als Ehrenamtlicher beim BRK Erlangen-Höchstadt eingetreten. Dort gehört er zur Sanitätsbereitschaft Höchstadt und fungiert als Ausbilder und Rettungsassistent, also nur eine Stufe unter dem Notarzt. Daneben macht er auch noch Einsätze als Bootsführer und Rettungstaucher. Das erklärt aber immer noch nicht, wie er nach Wladimir kam. Dazu muß man fast ein Jahr zurückgehen, als im Dezember vergangenen Jahres eine BRK-Delegation in der Partnerstadt u.a. den Klub „Retter“ besuchte, nachzulesen unter: http://erlangenwladimir.wordpress.com/2009/12/07/dank-dem-roten-kreuz. Die damals vereinbarte Zusammenarbeit konnte nun beginnen, weil Felix Wasel, der sich schon in Irland als Botschafter der Feuerwehr Höchstadt bewährt hatte, auf eine Rundmail von Jürgen Üblacker und Thomas Heideloff , stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes, hin sein Interesse bekundete und nun vom 5. bis 14. Oktober die Partnerstadt besuchte.
Vom Moskauer Flughafen nach Wladimir brachte ihn wohl ein tollkühner Feuerwehrmann in rekordverdächtigen 110 Minuten, freilich auch unter Mißachtung aller Verkehrsregeln nur zu schaffen, wenn man, wie Felix Wasel, mitten in der Nacht in der russischen Hauptstadt landet. Auf dem Rückweg, das sei schon verraten, brauchte er denn auch gesittete drei Stunden, auch das recht zügig, wenn man weiß, daß manch einer schon fünf bis sechs Stunden Transferzeit im Stau absitzen mußte.
„Eine ganz andere Welt ist das in Rußland, aber ich habe mich gleich wie zu Hause gefühlt“, faßt Felix Wasel seine Eindrücke zusammen, die er auch mit einer Unzahl von Photos festgehalten hat. Er gibt zu, mit einem gewissen Vorurteil auf die Reise gegangen zu sein, denn man hatte ihn schon zu so manchem Einsatz der eher unangenehmen Art zu der „Russen-Disco“ in Höchstadt gerufen. „Das waren in Wladimir ganz andere Leute! Überall freundliche Gesichter, Aufgeschlossenheit, Gastfreundschaft! Vor allem die Familie Ponasenko, wo ich auch wohnte, hat alles getan, um mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.“ Auf Unterschiede angesprochen, beginnt der technikbegeisterte Rotkreuzler natürlich mit der Ausrüstung. Und die hat den Gast durchaus beeindruckt. Vor allem der Umstand, daß man in Wladimir den ganzen Fuhrpark des Rettungsdienstes – Feuerwehr wie Katastrophenschutz – selbst wartet und dafür sogar Pumpenprüfstände vorhält oder Strahlenschutzgeräte selbst in Schuß hält, alles Dinge, für die in Deutschland Spezialfirmen gutbezahlte Aufträge erhalten. Sogar ein Einsatzfahrzeug gibt es, das im Bedarfsfall ein Krankenhaus beheizen kann. Die Technik ist insgesamt einfacher, mechanischer, dafür aber auch weniger störanfällig. Gerade einmal umgerechnet 350 Euro verdient man als Feuerwehrmann, dafür kann man sich offiziell bereits nach fünfzehn Jahren Zugehörigkeit in den Ruhestand verabschieden. Freilich ist die Pension so gering, daß kaum jemand wirklich sich zur Ruhe setzen kann. Viele gehen zu Wachdiensten, verdingen sich in der Wirtschaft oder bleiben eben auch auf ihrem Posten.
Das Ehrenamt hingegen ist noch kaum entwickelt, wenn man einmal von dem Jugendklub „Retter“ absieht. Und auch in der Ausbildung sollte nach Meinung von Felix Wasel mehr getan werden: ein wenig mehr Übungen zum praktischen Einsatz statt Sport und Drill. Die Standards für das Leisten von Erster Hilfe werden auf europäischer Ebene etwa alle fünf Jahre aktualisiert. Da hinkt man in Wladimir der Entwicklung etwas hinterher, denn bei der Wiederbelebung verfährt man noch so wie in Deutschland bis zum Jahr 2005. „Aber insgesamt machen die Russen die Sache bestimmt nicht schlechter als wir“, meint Felix Wasel. In manchen Bereichen überbietet man sogar deutsche Standards, wenn zum Beispiel in den gelben Sankas unbedingt ein Notarzt als Beifahrer an Bord ist. Und dann ist da noch das Erholungsangebot für die Mitarbeiter, das von einem Massagesessel bis hin zu Sauna und mehr Freizeitausgleich reicht, wo wir in Deutschland durchaus etwas drauflegen könnten.
Muß man es nochmals sagen? Nein. Aber weil es so schön ist, sei es wiederholt: Ein gelungener Aufenthalt. Dank gebührt allen Beteiligten. Sogar eine Birke haben Gast und Gastgeber gemeinsam gepflanzt. Da wächst also schon ein Freundschaftsbaum in Wladimir. Ein Grund mehr für ein baldiges Wiedersehen. Doch nun geht es erst einmal an die Planung für den Gegenbesuch der Wladimirer in Erlangen. Programmideen gibt es beim BRK bestimmt schon zuhauf, und auch die werden sicher wohlgetan und bestimmt mit weiteren Partnern wie Städtische Feuerwehr, THW… Da können noch viele Bäume gepflanzt werden.
Peter Steger
Erlangen-Wladimir-Blog
(http://erlangenwladimir.wordpress.com)
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